Tiny Houses sind winzige Häuser mit allem, was ein größeres Wohngebäude auch zu bieten hat: Ein Wohnzimmer, eine vollwertige Küche, ein Badezimmer mit Dusche und einen Schlafloft oder sogar ein kleines Schlafzimmer. Dabei werden Tiny Houses als vollwertige Wohngebäude definiert, wenn sie weniger als 50 m2 umbauten Wohnraum haben. Die Tiny House Baustatik spielt dabei eine wesentliche Rolle.
Baurechtlich werden sie nämlich genauso behandelt wie jedes andere Wohngebäude der Gebäudeklasse I. So benötigt auch ein winziges Wohngebäude ein Baugrundstück, eine reguläre Baugenehmigung sowie öffentliche Versorgungsanschlüsse für Strom, Wasser und auch Abwasser. Der Unterschied zu einem Gartenhaus, einem Wochenendhaus oder einem Bau- oder Wohnwagen liegt daher in den Papieren begründet, die ein Tiny House erst zu einem Wohngebäude machen. Neben Baustatik, Baubeschreibung und Bauzeichnungen ist ein Nachweis für die ökologische Nachhaltigkeit – dem sogenannten Wärmeschutznachweis gemäß Gebäudeenergiegesetz – erforderlich.
Allerdings ist eine Baustatik nicht gleich Baustatik. Je nach Region, in der das Tiny House als Wohngebäude aufgestellt werden soll, können die Anforderungen an die Baustatik erheblich umfangreicher sein. Während an der Nordsee insbesondere Wind und Sturm eine entscheidende Rolle spielen, sind in Hochlagen besondere Schneelasten zu beachten und in einigen Regionen
Deutschlands muss sogar mit Erdbeben gerechnet werden. In all diesen Regionen wird bei der Beantragung einer Baugenehmigung eine besondere Statik verlangt. Das verteuert zwar die Baukosten in Problemzonen, erhöht aber zugleich die Sicherheit und nicht zuletzt die Wertstabilität eines solchen Wohngebäudes.
Windlastzonen
Deutschland wird grundsätzlich in vier Windlastzonen von 1 bis 4 aufgeteilt. Zur höchsten Zone 4 zählt insbesondere die gesamte Nordseeküste sowie die Inseln Fehmarn und Hiddensee, Teile der Insel Rügen sowie die Halbinsel Fischland-Darß. Die Zone 3 ragt von der Nordsee noch einmal ca. 50 Kilometer weiter ins Binnenland bis vor die Tore von Hamburg, Bremen und Kiel. Aber auch fast die gesamte mecklenburgische Ostseeküste zählt zur Windlastzone 3. Für Tiny Houses stellt sich dabei die besondere Problematik, dass sie schlichtweg zu leicht sind und gleichzeitig eine riesige Angriffsfläche für den Sturm bieten.
Schneelastzonen
Die charakteristischen Werte für Schneelasten werden für regionale Zonen mit unterschiedlichen Intensitäten der Schneelast ermittelt. Dabei werden fünf Schneelastzonen unterschieden, Zone 1, 1a, 2, 2a und 3, wobei die Intensität der Schneelasten von Zone 1 nach Zone 3 zunimmt.
In der norddeutschen Tiefebene, im Harz, Erzgebirge Bayerischen Wald und im Alpenvorland können Schneelasten bis zum Mehrfachen der Rechenwerte gemessen werden. Dabei können sogar für bestimmte Lagen noch höhere Werte als in der Zone 3 ermittelt werden, die dann dazu führen, dass dort besondere statische Maßnahmen ergriffen werden müssen. Dazu zählen insbesondere der Harz oder Hochlagen des Fichtelgebirges. In all diesen Regionen werden verstärkte Baustatiken für jedes neu zu errichtende Wohnhaus erforderlich.
Erdbebenzonen
Als Erdbebenzone werden besondere Gebiete in Deutschland klassifiziert, in denen eine erhöhte Erdbebengefährdung vorliegt. Dabei unterscheidet man fünf verschiedene Zonen und zwar Gebiete außerhalb von Erdbebenzonen sowie die Erdbebenzonen 0 bis 3.
Gebiete außerhalb von Erdbebenzonen werden mit sehr geringer seismischer Gefährdung eingestuft. Dazu zählen alle Regionen auf der Europäischen Makroseismischen Skala mit einer Intensität von maximal 6,0. Die Epizentren mit der höchsten Gefährdungsstufe der Erdbebenzone 3 und der Wahrscheinlichkeit einer Stärke von mehr als 7,5 auf der europäischen Messskala sind die Regionen um Aachen, Tübingen und nördlich von Basel. Die Regionen der Erdbebenzone 2 mit einer Stärke zwischen 7,0 und 7,5 liegen im gesamten Bodenseebereich bis um Tübingen herum, von Basel bis vor Freiburg, in der Region Gera und um Aachen herum. Die Zone 1 erstreckt sich fast über den gesamten Rheingraben über Karlsruhe, Darmstadt, bis Mainz und kurz vor Frankfurt und dann weiter von Koblenz, Bonn, Köln bis vor Düsseldorf. Aber auch der Donaugraben zwischen Ulm über Ingolstadt zählt zur Erdbebenzone 2. Die besondere Zone 3-Erdbebenstatik wird grundsätzlich von einem zugelassenen Prüfstatiker kontrolliert, der während Baubegleitung auch die strikte Umsetzung der Erdbebenstatik überprüft.
Mobile Tiny Houses
Eine besondere Rolle kommt dabei den mobilen Wohnhäusern zu, wie sie auch in Deutschland ihren Siegeszug angetreten haben. Ein großer Teil dieser Minihäuser kann per Tieflader von einem Ort zum nächsten transportiert werden. Sie verfügen zumeist über Hilfsräder, um die Tiny Houses vom Tieflader und auf das Baugrundstück ziehen zu können. Danach werden sie auf üblichen Fundamenten aufgestellt und die Räder werden für eine spätere Verlegung abmontiert und eingelagert. Eine besondere Kategorie stellen die sogenannten „Tiny Houses on Wheels“ dar, die über eine eigene Straßenzulassung verfügen und auf einem PKW-Anhänger aufgebaut sind. Sie bedürfen grundsätzlich keines Tiefladers sondern werden mit starken Zugfahrzeugen auf eigenen Rädern über die Straßen bewegt.
Doch genau diese Mobilität bringt essentielle Anforderungen an die Baustatik für die Baugenehmigung mit sich. Die entscheidende Frage lautet nämlich: In welcher Region soll das Tiny House aufgestellt werden? Je nach Region wird dann eine besondere Statik für die Windlast, die Schneelast oder die Erdbebenintensität erforderlich. Nicht selten überschneiden sich auch diese drei Zonen, so dass gleich mehrere Faktoren auf die zu erstellende Tiny House Baustatik einwirken können. So gibt es in Deutschland nur sehr wenige Regionen, in denen nicht mindestens eine der drei Zonen auftreten. Zum Beispiel herrscht in Baden-Württemberg eine weitestgehend geringe Windlast aber dafür gibt es erhöhte Schneelasten und Erdbebenrisiken. Die Mecklenburgische Ostseeküste wird von Wind- und Schneelasten beeinträchtigt und die Region Gera-Leipzig-Chemnitz ist von Wind- und Schneelasten und von Erdbebenrisiken betroffen.
Doch wie muss die Baustatik für ein Tiny House berechnet sein, das mobil ist und trotzdem völlig unabhängig von den Gefährdungen durch Wind, Schnee und Erdbeben in ganz Deutschland aufgestellt werden darf? Die Antwort dürfte klar auf der Hand liegen: Für ein mobiles und überregional nutzbares mobiles Tiny House muss eine Baustatik unter Berücksichtigung aller drei Risiken mit den höchsten Belastungszonen errechnet werden. Das bedeutet zugleich, dass einfache Baustatiken, wie man sie aus dem Bau herkömmlicher Wohngebäude kennt, bei Tiny Houses faktisch keine Anwendung finden können und diese winzigen Häuser damit geradezu zwangsläufig zu den stabilsten Häusern überhaupt zählen müssen, die derzeit in Europa gebaut werden. Dass allerdings nicht jeder gewerbliche Hersteller und erst recht nicht jeder private Heimwerker, der sich dazu berufen fühlt, sein eigenes Tiny House zu bauen, die damit verbundenen Risiken überschauen kann, zeigt sich bereits beim Lesen von Werbeanzeigen oder Posts in den sozialen Medien. Wenn lediglich mit einem Hinweis auf eine Straßenzulassung durch TÜV oder DEKRA beworben wird, aber mit keinem Wort die Baustatik oder gar die Risikozonen erwähnt werden, dann sollte bereits höchste Vorsicht angebracht sein.
Tatsächlich prüfen TÜV und DEKRA bei einer Straßenzulassung nicht einmal, ob das Fahrzeug (also hier: der Anhänger) im Straßenbetrieb überhaupt hält, da der Gesetzgeber diese fatale Gesetzeslücke bis heute nicht geschlossen hat. Auf diese Weise können selbst offensichtlich instabile Tiny Houses für die Straße zugelasssen werden. Dabei können im Straßenbetrieb extreme Kräfte auf das Tiny House einwirken. Während ein klassisches Erdbeben zumeist nur wenige Sekunden dauert, entwickeln sich auf der Straße derart hohe Kräfte, die – einfach ausgedrückt – mit einem stundenlangen Erdbeben verglichen werden und die bautechnische Stabilität nachhaltig beeinflussen können. Wird es dann vielleicht auch noch in einer höheren Windlastzone aufgestellt, ist das Risiko für einen Totalschaden unkalkulierbar.
Hersteller von Tiny Houses sollten daher allein schon zur Eingrenzung ihrer persönlichen und unbefristeten Haftung klar darauf hinweisen, in welchen Regionen das Tiny House sorgenfrei aufgestellt werden darf bzw. die Belastungszonen ausweisen, für welche die Baustatik berechnet wurde. Allerdings kennt der Tiny House-Markt solche Warnhinweise noch nicht. Und wahrscheinlich wird es wie so oft erst eingeführt, wenn es Unfälle, Strafverfahren oder Schadensersatzklagen gegeben hat. Die mildeste Form der Schädigung wäre dann vielleicht, wenn bereits im Zuge des Bauantrages festgestellt wird, dass die Baustatik für eine Genehmigung nicht ausreicht. Wenn dann noch eine Rückabwicklung der Tiny House-Bestellung möglich sein sollte, könnte der Käufer noch mit einem blauen Auge davonkommen. Bei maßgefertigten Tiny Houses dürfte allerdings jeder Hersteller darauf verweisen, dass der ahnungslose aber hochmotivierte Käufer das so bestellt hat.
Verantwortungsbewusste Tiny House-Hersteller sind daher gehalten, ihren Kunden konkrete Informationen darüber zur Verfügung zu stellen, in welchen Regionen sie ihr Tiny House gefahrlos aufstellen können und wo nicht. Weitestgehende Niederlassungsfreiheit haben dann eben nur solche Tiny Houses, die über eine Baustatik inklusive Berechnung für die Windlastzone 4, Schneelastzone 3 und Erdbebenzone 3 verfügen. Und selbst für solche Tiny Houses gibt es Grenzen: Einzelne Orte insbesondere im Mittelgebirge und in den Alpen können besondere Schneelastzonen aufrufen, die weit über die Schneelastzone 3 hinausgehen können.
Wie stark die Kräfte auf ein Tiny House einwirken, sei an einem Tiny House des Schleswig-Holsteinischen Anbieters Rolling Tiny House GmbH dargelegt. Deren straßenzugelassene Tiny Houses verfügen bereits alternativ zu herkömmlichen Holzrahhmen-Konstruktionen über einen hochfesten Sicherheits-Stahlrahmen. Trotzdem kann auch deren Karosserie in einer Ergebebenzone 3 bis zu 65 % belastet werden, so dass immerhin noch eine ausreichende Sicherheitsreserve gegeben ist. Noch gefährlicher wirkt sich hingegen die Windlast aus. Dieselbe Tiny-House-Stahlkarosserie würde an der Nordseeküste oder auf Fehmarn bei Windgeschwindigkeiten bis zu 108 km/h zu 92 % belastet werden, womit die noch vorhandene Sicherheitsreserve auf unser 10 % gesunken wäre. Der Sturm „Klaus“, der im März 2021 über Deutschland hinwegfegte, entwickelte an der Küste Geschwindigkeiten von bis zu 110 km/h. Damit übertrag „Klaus“ sogar den Höchstwert für die Windlastzone 3. Ergebnis: Das Tiny House hält, weil es konkret für eine Windlastzone 3 konstruiert wurde. Auf Deutschlands einziger Hochseeinsel Helgoland konnten allerdings bis zu 150 km/h gemessen werden, denen selbst ein Tiny House mit Sicherheits-Stahlrahmen kaum noch standgehalten hätte. Tiny Houses mit einer einfachen Holzrahmen-Konstruktion hätten dagegen nicht einmal den Kräften der zweithöchsten Windlastzone 3 etwas entgegenzusetzen. Ein Tiny House mit Holzrahmen, das solchen Kräften standhalten sollte, müsste derart massive Verbindungen erhalten, dass das straßenzulassungstechnisch zulässige Höchstgewicht von maximal 3,5 Tonnen deutlich überschritten werden müsste und damit keine Zulassung mehr für den Straßenbetrieb erhalten könnte.
Die Rolling Tiny House GmbH führt dazu einen Sicherheitshinweis in Form eines Hinweisschildes in allen ihren Tiny Houses ein, auf dem explizit die statisch berechneten Risikozonen dokumentiert sind. Alle bislang ausgelieferten Tiny Houses können zudem nachträglich mit diesem Sicherheitshinweis ausgerüstet werden. Das Unternehmen möchte damit nicht nur einen zusätzlichen Beitrag zur allgemeinen Sicherheit im Tiny House schaffen sondern insbesondere für mehr Transparenz sorgen, um auf diesem Wege die allgemeine Anerkennung von Tiny Houses als akzeptierte alternative Wohnform zu unterstützen.
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