Wer sein neues Tiny House selbst ausbauen möchte, geht oftmals unkalkulierbare Risiken ein, die er kennen sollte. Der Verlust von Garantie- und Gewährleistungsansprüchen ist da noch das geringste Problem.
Eigentlich klingt es für den engagierten Heimwerker ja verlockend: Ich kaufe mir ein günstiges Rohbau-Tiny House und baue es dann selbst aus. Immerhin macht es einen soliden Unterschied, ob man ein schlüsselfertiges Tiny House oder einen Rohbau kauft und dann in Heimarbeit nur noch ein paar Tausender an zusätzlichem Material verbaut. Die Frage ist nur: Viel Geld gespart oder im schlimmsten Fall für die Müllkippe gebaut?
Tatsächlich ist der erste ganz große Gewinner nicht der Käufer sondern der Hersteller des Rohbaus. Während Hersteller von schlüsselfertigen Modellen Garantie und Gewährleistung erfüllen müssen und produktionstechnische Mängel zu beheben haben, sieht dies bei Ausbaumodellen ganz anders aus. Sobald der Käufer das gekaufte Produkt eigenmächtig verändert oder umbaut, verwirkt er jegliche Garantie- und Gewährleistungsansprüche. Das ist einfach erklärbar, weil der Hersteller sich jederzeit auf den Standpunkt zurückziehen kann, dass sein verkauftes Produkt funktioniert hätte, wenn der Kunde daran nicht herumgepfuscht hätte. Tatsächlich gilt es in vielen Bereichen des Handwerks als gängige Lösung, dem Kunden ein halbfertiges Produkt zu verkaufen, um sich auf diese Weise vollständig jeglicher Haftung zu entziehen. Das mag bei kleinen Fehlern einfach nur ärgerlich sein. Wenn es allerdings um größere Schäden zum Beispiel im Straßenverkehr geht, kann es sehr schnell in ungeahnte Dimensionen ausarten.
Bei einem straßenzugelassenen Tiny House kommt ergänzend hinzu, dass mit jeder baulichen Veränderung auch gleichzeitig die Betriebserlaubnis für die Straße erlischt. Das kennen wir bereits aus dem Fahrschulunterricht, als uns der Fahrlehrer erklärte, dass wir mit der Montage eines selbstgebauten Auspuffs die Allgemeine Betriebserlaubnis für das Auto verlieren würden. Der Betrieb eines solchen Fahrzeugs ist strafbar. Im Falle eines Unfalles mit Personenschäden können zudem nicht unerhebliche Strafen auf den Fahrzeugführer bzw. Halter zukommen. Für ein Tiny House on Wheels gelten exakt dieselben gesetzlichen Bedingungen. Der Geschäftsführer eines großen deutschen Anhängerherstellers erklärte es einmal so: „Bereits eine zusätzlich im Anhänger verschraubte Dachlatte verändert das Gesamtgewicht und zugleich auch den Schwerpunkt. Das allein kann bereits ausreichen, dass damit die Betriebserlaubnis erloschen ist“. Das mag durchaus unerheblich klingen, allerdings kann genau so eine bauliche Veränderung im Falle eines Unfalls mit unabsehbaren Risiken verbunden sein, da bei kostspieligen Schäden und erst Recht bei Personenschäden immer ein unabhängiger Gutachter beauftragt wird. Stellt dieser fest, dass das Tiny House nicht dem offiziell zugelassenen Zustand entspricht, können auf den Fahrzeugführer bzw. den Halter entsprechende Regressforderungen zukommen.
Wer sein Tiny House als baugenehmigtes Wohnhaus nutzen möchte, benötigt vom Hersteller grundsätzlich alle erforderlichen Unterlagen wie Statik, Baubeschreibung sowie eine Bestätigung des die Bauaufsicht führenden Experten, dass auch tatsächlich konsequent nach Statik gebaut wurde. Nachträgliche Änderungen an statisch relevanten Teilen oder höhere Belastungen durch zusätzliche Einbauten, die nicht berechnet wurden, können jedem Versicherungsschutz entgegenwirken. Ganz nebenbei: Wenn Sie in der Werbung für straßenzugelassene Tiny Houses den Hinweis „Statik auf Wunsch“ lesen sollten, können Sie getrost von Kundentäuschung ausgehen. Entweder baut der Hersteller nach Statik, dann liefert er immer die Statik mit, oder er bastelt irgendetwas ungeprüft zusammen, womit höchste Vorsicht angezeigt sein sollte. Kein seriöser Hersteller baut eine Straßenkarosserie ohne geprüfte Statik und ist so dusselig, für seinen Eigenbau auch noch höchst selbst zu haften. Ganz nebenbei: Bei der TÜV/DEKRA-Einzelzulassung wird nicht die Haltbarkeit auf der Straße geprüft. Dafür ist immer der Hersteller selbst verantwortlich. Die Statik gehört also zu jedem Tiny House als Selbstverständlichkeit dazu. Einzige Ausnahme: Der Tiny-House-Hersteller hat beim Kraftfahrtbundesamt eine sogenannte KBA-Seriennummer beantragt und baut alle Tiny Houses einheitlich und exakt nach dieser Zulassung, so wie es bei jedem Automobilhersteller mit seinen Modellen der Fall ist. Allerdings werden derzeit (Stand Juni 2019) alle Tiny Houses in Deutschland noch im Rahmen einer Einzelzulassung genehmigt und dann gehört die Karosseriestatik immer als Pflichtübung dazu.
Ein ganz besonderes Problem stellt die Feuchtigkeits- und Schimmelgefahr dar, weil faktisch in jedem Minihaus allein schon aufgrund des geringen Raumvolumens immer Schimmelgefahr droht, wenn keine technischen Lösungen installiert werden. Tritt dann Schimmel bei einem Selbstausbauhaus auf, wird sich der Rohbau-Hersteller immer darauf zurückziehen können, dass ja der Heimwerker das selbst hätte beachten müssen. Es darf davon ausgegangen werden, dass 95 % aller gut isolierten Tiny Houses ohne konsequente technische Lösungen betroffen sein können. Das Problem daran ist, dass die meisten Bewohner es wohl erst durch gesundheitliche Beschwerden erkennen. Bei einem schlüsselfertigen Tiny House achtet der erfahrene Hersteller schon selbst darauf, dass entsprechende technische Lösungen verbaut sind, damit keine Schäden entstehen, für die er in die Haftung genommen werden kann. Siehe dazu auch Schimmelgefahr – welche Lösungen gibt es?
Abschließend darf auch das Gewichtsproblem nicht vernachlässigt werden. Eine komplette serienmäßige Möblierung eines Rolling Tiny House mit Küche, Treppenhaus, Badezimmer, Wohnzimmer und Schlafloft wiegt ca. 400 kg, die bereits weitestgehend gewichts- und platzoptimiert ist. Möbel und insbesondere Küchen aus dem Möbelhaus sind grundsätzlich schwerer und das straßenzulassungstechnische Höchstgewicht von 3,5 Tonnen darf generell nicht überschritten werden.
Wer trotzdem gerne selbst Hand an sein Rolling Tiny House legen möchte, kann auf unsere „IR-Basic“-Version zurückgreifen. Dieses Modell erfüllt alle statischen sowie straßenzulassungs- und baurechtlichen Voraussetzungen und verfügt über eine leistungsfähige Infrarot-Fußbodenheizung im Erdgeschoss und im Schlafloft. Alle Möbel in Küche, Duschbad, Wohnzimmer und Schlafloft können dann selbst ausgesucht oder erstellt werden. Der Ausbau sollte allerdings nur als „Ladung“ erfolgen. Das heißt nichts anderes, als dass die Möbel nicht fest mit der Karosserie verbunden werden sondern „lose“ in das Tiny House gestellt werden. Auf diese Weise wird die Bausubstanz nicht verändert, Garantie und Gewährleistung bleiben im vollen Umfang erhalten und auch die Straßenzulassung wird nicht beeinträchtigt. Beim Transport auf der Straße ist dann lediglich darauf zu achten, dass die Ladung – also alle Möbel – vorschriftsmäßig im Tiny House zu sichern sind. Dies erfolgt üblicherweise mit geeigneten Spanngurten und fest mit der Stahlkarosserie verschraubten Zurrösen. Hierin liegt ein weiterer Vorteil eines Sicherheit-Stahlrahmens, wie er bei allen Rolling Tiny Houses verwendet wird, da Zurrösen grundsätzlich nicht an Holzteilen verschraubt werden dürfen. Sind keine in der Stahlkarosserie verschraubten Zurrösen vorhanden, muss die Ladung separat in einem anderen Fahrzeug transportiert werden.